Hinschauen lohnt sich – Die Rekonstruktion der Krise

Verdächtig ruhig hier. Doch findet nicht viel auch im Verborgenen statt? Wird verdeckt, gedeckt, ertragen? Wie sieht es mit häuslicher Gewalt gegenüber Frauen in der Schweiz aus? Wie hat sie sich in den letzten beiden Jahren verändert? Einer Zeit, die viel mehr zuhause verbracht wurde, und in der möglicherweise auch viel mehr zuhause ertragen werden musste?

Es gibt einige Zahlen, Jahresberichte von Stiftungen und Institutionen. Häusliche Gewalt wird jedoch weder einheitlich erfasst, noch gesamtschweizerisch erhoben. Weiterhelfen konnte uns erst Susan A. Peter, Geschäftsführerin der Stiftung Frauenhaus Zürich. Entgegen der Vermutung blieb der erwartete Anstieg im Frauenhaus aus, was allerdings keine Entwarnung gibt, denn Betriebsschwankungen gehören schon immer zum Krisentinterventionsbetrieb. Hingegen hat die Polizei im Kanton Zürich eine starke Zunahme von 15 auf 18 Einsätze pro Tag verzeichnet. Ein Anstieg um 20 Prozent. Über 1000 Fälle mehr pro Jahr. In den meisten Fällen Gewalt gegenüber Frauen und Kinder. In ihrem Zuhause. Allein im Kanton Zürich.

Auch die Krankenhäuser vermelden eine gestiegene Anzahl an Einlieferungen, die auf häusliche Gewalt schliessen lassen, jedoch keine Anzeige zur Folge haben. Und schliesslich berichten Klientinnen des Frauenhauses, dass sie während des Lockdowns zuhause nicht einmal den Freiraum hatten, um Hilfsangebote zu recherchieren und ein Ausbruch zu planen. Stattdessen mussten sie die Familie irgendwie zusammenhalten. Oder wie es Frauen ausgedrückt haben: Einfach überleben.

Das sind freilich keine offiziellen Statistiken, vielmehr Hinweise als Beweise. Diese deuten jedoch auf eine hohe Dunkelziffer sowie deutlich mehr häusliche Gewalt hin.

Das heisst aber nicht, dass tatenlos zu- und weggesehen wird! Seit der Inkrafttretung der Istanbul-Konvention 2018 wurden verschiedene Massnahmen auf Kantons- und Bundesebene erarbeitet und tatsächlich fliesst auch für das Frauenhaus in Zürich mehr Gelder. Doch noch immer sind die Frauenhäuser auf private Spenden angewiesen. So wurde die erste öffentliche Kampagne in der Schweiz von der Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz zur Aufklärung, Sensibilisierung und Enttabuisierung des Themas Häusliche Gewalt von einer privaten Firma finanziert.

Während Lockdown und Home Office ist vielen Personen zudem erstmals bewusst geworden, was es heisst, auf engem Raum zu leben, mit Konflikten, ohne Ausweg. Auch wenn nicht selbst erlebt, so doch mitempfunden, und einigen Anlass, dem Frauenhaus Unterstützung anzubieten.

Für eine Entwarnung ist es dennoch zu früh. Corona hat vielmehr ans Licht gebracht, was schon lang im Dunkeln und Argen ist, wie festgefahren die klassischen Rollen oft noch sind und in Gewalt von Männern gegenüber Frauen münden. Es braucht jetzt den Mut, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und vor allem auch den Mut, hinzusehen, hinzuhören und die Gewalt zu melden, in der Familie, unter Freunden, in der Nachbarschaft, im Kollegium.

Und es braucht Geld. Nach 6 Jahren spendet der Verein Bass und Benefiz die Gewinne seiner Veranstaltung wieder dem Frauenhaus. Frau Peter bezeichnet den Verein als Vorreiter. Es sei eine seltene Ausnahme, dass eine Gruppe oder Leute aus dem Kulturbereich, die nicht vom Thema direkt betroffen sind, die Initiative ergreifen und die Stiftung unterstützen.

Die Stiftung Frauenhaus Zürich wurde nun 40 Jahre alt! Christina Caprez hat die Geschichte des Frauenhauses Zürich mit allen seinen Höhen und Tiefen in ihrem Buch «Wann, wenn nicht jetzt» (Limmatverlag) lesenswert festgehalten. Die Vernissage findet am 8. März 2022, 19h im Volkshaus, Zürich statt. Link Veranstaltung

So glücklich wir darüber sind, dass es das Frauenhaus gibt. So unglücklich macht es uns, dass es das Frauenhaus braucht. Der unermüdliche Einsatz aller Menschen in der Stiftung trägt jeden Tag dazu bei, dass es vielen Frauen besser geht. Wir sagen Happy Birthday und DANKE!

Wer die Stiftung Frauenhaus unterstützen mag, findet auf ihrer Seite das Spendenkonto: Link Frauenhaus

Oder man kann am 11. März die Veranstaltung Bass und Benefiz im Kauz ab 22.00 Uhr besuchen. Die Erlöse gehen zu 100% an die Stiftung.